paedagogik 1 
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Wer die Quellen und Bücher zur Geschichte der Kindheit liest, wird auf eine Erkenntnis stoßen, die er wahrscheinlich mit eigenen Kindheitserfahrungen bestätigen kann: Kinder standen schon immer unter der Verfügungsgewalt von Erwachsenen. Sie bestimmten und bestimmen, ob ein Kind zur Welt kommt, was für es gut ist, was aus ihm werden soll, welche Bedeutung es für die Mutter, den Vater, die Familie hat, welche Stellenwert man ihm in der Gesellschaft gibt, und wozu man Kinder braucht.

Kinder waren und sind Wunschkinder und geliebt; viele dagegen waren und sind „eigentlich gar nicht vorgesehen“ und nun „trotzdem da“; die meisten gehören dazu, zur Familie, unserer Straße, unserer Stadt; viele stehen eher im Weg und durchkreuzen die Lebenspläne ihrer Eltern. Dann wiederum investieren Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen viel in „das Beste“ für die Kinder – an Zuwendung und Engagement, an Überstützung und Förderung, an Zeit und Geld.
Kurz: Die Geschichte der Kinder im Leben der Erwachsenen ist bestimmt von Ambivalenzen, Widersprüchen und einem Spannungsfeld zwischen Liebe und Labilisierung. Sie kann nur punktuell als eine „Erfolgsgeschichte der Humanität“ bewertet werden.

Und dann die Politik: Die Geschichte – bis in die jüngste Vergangenheit unseres Landes hinein – ist voller Belege dafür, dass man Kinder zu vaterländischen, sozialistischen, christlichen, freiheitlich-demokratischen, zu fleißigen, angepassten, staatsdienlichen, aber auch mündigen und verantwortungsvollen Menschen erziehen wollte: Wer den Zugriff auf die Kinder hat, der kann sich seine künftigen Bürger formen, wie er sie braucht. Es sei denn: Die Kinderlobbyisten und schließlich die Kinder selbst wehren sich erfolgreich gegen Vereinnahmung, Fremdbestimmung, Entmündigung.

Dazu braucht es eine kindgerechte Pädagogik – die sich aber immer noch nicht überall durchgesetzt hat. Denn das Erbe wiegt auch in der Pädagogik schwer: Dieses war bestimmt von einem Spannungsfeld zwischen „Dämonisierung und Idealisierung“. „Dämonisierung“ zeigte sich in pädagogischen Maximen wie: Das unbändige, wilde Kind zähmen und es zurechtschneiden. Den Stolz der Kinder brechen. Dem Kind Zucht und Ordnung beibringen. Nur ein gehorsames Kind ist ein gutes Kind. Zuckerbrot und Peitsche, das hilft auch beim wildesten Kind.
„Dämonisierung“ aber auch wenn es hieß: Wie soll ich all die Kindermäuler stopfen? Die fressen mir noch die Haare vom Kopf. Wer mehr als drei Kinder ab, der gerät leicht in die Armutsfalle.
Heute trifft man solche „Dämonisierungen“ gottlob kaum noch an. Aber bisweilen einige Abwandlungen davon – etwa in Form von „Pathologisierungen“: Eltern und Pädagogen sehen überall Gefahren für das Kind, es muss alles für die Gesundheit des Kindes, die körperliche wie die seelische, getan werden. Kleinste Anzeichen von Unwohlsein, von Stress und Unruhe werden als Zeichen einer aufkommenden Krankheit und gar einer versteckten Behinderung gesehen. Das ständige Problematisieren von kindlichen Verhaltensweisen, das Diagnostizieren von Auffälligkeiten, der Mangel an Vertrauen in das Kind und seine Lebens- und Widerstandskräfte – das alles kommt als „Sorge um das Kind“ daher, kann aber wieder zu einer subtilen Form der Definitionsmacht über das Kind ausarten und als Pathologisierung eine Fortsetzung der alten Dämonisierung darstellen.
Das Gegenteil – die „Idealisierung“ – war und ist für das Kind ebenso fatal. Denn hier wird das Kind als unschuldig, rein, frei von jeder Bosheit und Hinterlist, als klein und wehrlos, als nicht berechnend und mit einem großen Herzen gesehen – als ein Vorbild für einen Menschen „ohne Schuld und Tadel“. Zeugen solcher idealisierter Kinder sind unendlich viele Bilder von braven, gutmütigen, arglosen, unschuldigen und tapferen Kindern in Kinderbüchern, Kinderliedern und -geschichten. Aber auch Engeldarstellungen und Bilder vom Jesuskind in der Krippe und auf dem Schoß seiner Mutter.

Idealisierungen heute kommen etwas anders daher: Als pädagogische Leitsätze vom kompetenten Kind von Anfang an; vom Kind, das eigentlich schon alles mitbringt, was es für das Leben braucht; vom Kind als „unserer Zukunft“. Man kann sogar das Zertifikat „Kinderfreundlicher Betrieb“ und „Kinderfreundliche Stadt“ erwerben: Wer Kinder Lebensraum bietet, Spielplätze und -straßen schafft, Kindergärten, Kinderhäuser und Schulen baut, von dem kann man nur Gutes denken.

Hinter diesen plakativen Markierungen der Kinderbilder und Wertzuschreibungen stehen natürlich konkrete Menschen. Die meisten „meinen es nur gut“ mit den Kindern – aber ist dies auch gut für sie?

Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden, indem sie darauf fokussiert wird: Welche Pädagogik ist „gut“ für das Kind? Was dachten Personen darüber, die für die Theorie und Praxis einer Pädagogik der Kindheit zuständig waren und sind?

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