Liebe Gemeinde der Pfarrei St. Maria!
Es war ein österlicher Gedanke – für meinen Weg durch die 40 Tage der Fastenzeit 2022 –, der mir bei dem Versuch kam, einen Knoten in einem Knäuel Paketschnur zu lösen!
Dieser Knoten war etwas Ärgerliches! Das gilt natürlich für die meisten Knoten. Knoten kommen oft zur Unzeit und finden sich besonders da, wo diese – unbeabsichtigte – Verwicklung von Schnur, Seil oder ähnlich Biegsamen, nicht gebraucht werden kann.
Mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl lassen sich manche dieser Verschlingungen aufschnüren; andere jedoch sind und bleiben unentwirrbar.
Je mehr auch an den Knoten herummanipuliert wird, desto mehr verkneifen sich die Windungen unter dem Zug und verhindern so eine
(Auf-, Er-)Lösung!
Natürlich könnte die Verschlingung einfach so belassen werden – aber damit wird ein Knoten zur schwächsten Stelle im Verlauf. Die ursprüngliche Zugfestigkeit ist nicht mehr gegeben, ganz zu schweigen von der ursprünglichen Belastbarkeit!
Den Knoten einfach durchzuschneiden, ist meist keine Alternative. Im Ergebnis ist der so verwickelte Gegenstand meist beschädigt oder gar nicht mehr zu gebrauchen.
Vielleicht ist es dann doch ratsam, den Knoten zu belassen, sich damit abzufinden, dass eine Lösung unmöglich ist und zu akzeptieren, dass die Schwachstelle Bruchstelle wird.
Im Ergebnis bleibt der Knoten so eine Erinnerung an ein Missgeschick, eine Schwierigkeit und an ein Unvermögen, diese Verwicklung zu lösen, den Ursprungszustand wieder herzustellen, etwas wieder glatt, störungsfrei, belast-, verwendbar zu machen.
Vielleicht wird aber dieser Knoten auch ein Ansporn, zukünftig aufmerksamer für mögliche Verwicklungen zu sein.
Knoten sind ein Ärgernis – und sie finden sich auch bei uns! Auch in unserem Alltag begegnen wir – unbeabsichtigten – Verwicklungen, sind von – unbeabsichtigten – Verschlingungen betroffen, haben sie selbst zu verantworten oder haben – unbeabsichtigte – Verknotungen selber zu (er-)tragen.
Auch in unserem Alltag erleben wir
- Verwicklungen – in unserem Umgang mit dem Nächsten: Schwierigkeiten mit einzelnen Mitmenschen, Beziehungen, die von Missverständnissen geprägt sind, Ablehnungen, die aus unterschiedlichen Lebensstilen, -Einstellungen, oder/und -Plänen resultieren.
- Verschlingungen – grundgelegt in unserer Beziehung zu Gott: überzogene Anforderungen, fehlendes Vertrauen, erkalteter Glaube.
- Verknotungen – in uns selber verwurzelt: enttäuschte Hoffnungen, überfordernde Erwartungen, verzerrtes Selbstbild.
Auch in unserem Alltag erfahren wir es: Nichts läuft mehr glatt und egal, wieviel Mühe und Geduld aufgewendet werden, die Windungen des Knoten– worin immer er auch resultiert und wo immer er auch zu finden ist: im Kopf, im Herz, in der Seele – verkneifen sich mehr und mehr; nichts lässt sich mehr (auf-, er-)lösen.
Am Ende steht bei alledem oft Resignation. Ein Gefühl greift sich Raum, dass alles vergeblich sei. Die Schwachstelle wird zur Bruchstelle und der Knoten zur (Er-)Mahnung an ein Missgeschick, eine Schwierigkeit und an ein Unvermögen.
Knoten machen Ärger! Wie gut ist es dann, wenn ein Perspektivwechsel möglich wird! Nur so kann ein Knoten auch Ansporn werden, zukünftig aufmerksamer für mögliche Verwicklungen zu sein.
Die österliche Bußzeit kann für uns eine Zeit des Knotenlösens werden - für einen aufmerksamen Umgang mit uns, mit unserem Nächsten und mit Gott.
In der Zeit bis Ostern lade ich Sie daher ein, die Knoten, die an so vielen Stellen in unserem Alltag auftauchen, die sich im Kopf, im Herz, in der Seele festgesetzt haben, bewusst in den Blick zu nehmen, diese- je eigenen Lebens-Knoten mit Jesus zusammen anzuschauen, sie behutsam zu lösen oder sie anzunehmen und in Gottes Hand zu legen – im Vertrauen, ER werde sie zu seiner Zeit (auf-, er-)lösen ...
... vielleicht ist das auch für Sie ein österlicher Gedanke – auf Ihrem Weg durch die 40 Tage der Fastenzeit 2022 – und das nicht nur bei dem Versuch, einen Knoten in einem Knäuel Paketschnur zu lösen!
Ihr Vikar Dr. Jürgen Wolff